SPD im DIALOG zur Pflege vor Ort

Veröffentlicht am 19.03.2023 in Ortsverein

Diskutierten mit den Zuhören bis weit in die Nacht zum Thema Pflege: SPD-Landesvorsitzende Ronja Endres (Mitte), die SPD-Ortsvorsitzenden Barbara Kasberger (3.v.re.) und Michael Meister (2.v.re.), die SPD-Stadträte Josef Eisenhut (re.) und Ludwig Kerscher (4.v.re.), Geschäftsführer des AWO-Seniorenheims in Geiselhöring Ralf Neiser (4.v.li.), Bernhard Fürst (3.v.li.) und Carmen Utz (2.v.li.) vom Krankenhaus Mallersdorf sowie Nicola Nagels, SPD-Landtagskandidatin für Straubing-Bogen. Für die eingeladenen Gäste gab es natürlich wieder Geiselhöringer Honig.

 

Pflege vor dem Kollaps – wie ist die Situation vor Ort?“

BayernSPD-Vorsitzende Ronja Endres überzeugte als kompetente Gesprächspartnerin - Pflege: mehr als „satt und sauber“

Bereits im Oktober 2018 hat die Geiselhöringer SPD eine Dialog-Veranstaltung mit dem Thema „Wie kann der Pflegenotstand gestoppt werden“ abgehalten. Nach fünf Jahren und angesichts sich weiter zuspitzender Notstände, war es an der Zeit, so Ortsvorsitzende Barbara Kasberger, das Thema am vergangenen Mittwoch im vollbesetzen Saal der Taverne Korfu erneut aufzugreifen. Die Zuhörerschaft war gut gemischt: Vom Notfallsanitäter über die Pflegekräfte im Krankenhaus und der Seniorenpflege bis hin zu pflegenden Angehörigen und besorgten Noch-Nicht-Pflegebedürftigen war alles vertreten.

SPD-Ortsvorsitzender und Bezirkstagskandidat Michael Meister konnte neben dem Geschäftsführer des AWO Seniorenheims vor Ort, Ralf Neiser, auch den Verwaltungsleiter des Klinikums Mallersdorf, Bernhard Fürst, und die Stationsleiterin Carmen Utz begrüßen. Als Überraschungsgast konnte die Geiselhöringer SPD die SPD-Landesvorsitzende Ronja Endres willkommen heißen, die es sich nicht nehmen ließ, nach der SPD-Mitgliederversammlung auch noch an der DIALOG-Veranstaltung teilzunehmen. Ein besonderer Glücksfall, denn Endres war als Mitglied des Verhandlungsteams „Gesundheitspolitik“ bei den Koalitionsverhandlungen der Ampel-Koalition dabei und arbeitet auch jetzt noch in der der Arbeitsgruppe direkt mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach zusammen. Auch privat kennt Endres sich aus: Wenn ihre Pflegemutter wieder einmal am Wochenende spontan im Krankenhaus arbeiten musste, weil es zu wenig Pflegepersonal gab, "dann ist das eben Thema bei uns daheim und ganz aktuell gewesen".  Absagen musste kurzfristig der Pflegedienst Bachmeier, da die angekündigte Pflegedienstleiterin wegen dem Ausfall einer Pflegekraft selbst einspringen musste – wo bei man schon mitten im Thema war.

„Seit unserer Veranstaltung 2018 zum Thema „Pflege“ ist die Welt nicht einfacher geworden: erst kam Corona, dann der Ukraine-Krieg und nun belastet die Einrichtungen die Explosion der Energiekosten“, stieg Michael Meister, BRK-Referent für Tagespflege, Komplexeinrichtungen und Digitalisierung in der Pflege in die Diskussion ein. Viel war die Rede von der PPR 2.0 – das ist zukünftig die Grundlage für die Personalbemessung in den Pflegebudgetverhandlungen und dient als Interimslösung zur Ermittlung des Pflegepersonalbedarfs für die unmittelbare Patientenversorgung. PPR 2.0 soll für Transparenz sorgen. Wo fehlen Pflegekräfte, welche Personal-Untergrenzen gelte es zu wahren, denn Pflege sei mehr als nur „satt und sauber“, wie Krankenhaus-Stationsleiterin Carmen Utz erklärte. Unabdingbar sei die vollständige Refinanzierung der Pflegepersonalkosten für die unmittelbare Patientenversorgung, so die Forderungen an die Politik. 

Krankenhausreform natürlich ein Thema

Ronja Endres nahm den Faden auf und erklärte zur geplanten Krankenhausreform, die überall diskutiert wird: "Es geht bei unseren Plänen darum, die ´Kliniken vor der Haustür`zu erhalten". Das Reformkonzept Lauterbachs sehe vor, die Krankenhäuser in drei Kategorien einzugliedern: Grundversorgung, Schwerpunktversorgung sowie Maximalversorgung, etwa an Universitätskliniken. Zudem sei eine Änderung des Vergütungssystems geplant - weg von den Fallpauschalen hin zu Vorhaltekosten für bestimmte Aufgabenbereiche. Die sich gerade laut artikulierende Kritik, vor allem aus Bayern, sei reines Spektakel, so Endres. Grundsätzlich ist man gegen alles, was die Ampelregierung vorschlägt, auch wenn es nur eine Diskussionsgrundlage für ein neues Gesetz sei. "Die CSU in Bayern fürchtet, dass der Bund ihr die Standortplanung oder die Haushaltsplanung für die Krankenhäuser wegnimmt. Das stimmt aber nicht“, erklärte die BayernSPD-Vorsitzende.

Wahlkampf und Machterhalt statt sachlicher und verantwortungsvoller Politik

„Auch im Freistaat kann auf Dauer nur dann ein hochwertiges und flächendeckendes Pflege- und Gesundheitssystem für alle geschaffen und finanziert werden, wenn wir bundesweit eine solidarische Gesundheits- und Pflegevollversicherung durchsetzen“, so Endres weiter. Alle müssten entsprechend ihrem Einkommen einzahlen und alle notwendigen Leistungen ohne überfordernde Eigenbeteiligung erbracht werden. „Wir wollen das System der Fallpauschalen abschaffen, die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in der Pflege so verbessern, dass der Personalmangel beendet wird. Der Freistaat muss endlich seine Verpflichtungen bei der Planung und Krankenhausfinanzierung erfüllen sowie Landkreise und Kommunen bei der Etablierung bedarfsgerechter pflegerischer Infrastrukturen unterstützen“, so das Statement der Vorsitzenden der BayernSPD. Investitionen und Planung obliege weiter den Bundesländern. Eine verantwortungsvolle Planung ermögliche begründete Forderungen nach Berlin. „Doch Gesundheitsminister Holetschek und Ministerpräsident Söder haben keinen Plan für eine flächendeckende Gesundheitsversorgung“, so Endres. In Bayern gebe es „nur eine Auflistung der Standorte, die alle gleich bewertet werden. Statt um sachliche und verantwortungsvolle Politik geht es um Wahlkampf und Machterhalt!“

Bei der Notfallversorgung ist es 10 nach 12

Es brennt bei der Notfallversorgung“, berichtete ein Notfallsanitäter aus dem Publikum. „Die gesetzlich vorgegebenen zwölf Minuten bis der Rettungswagen eintrifft, können gehalten werden. Der Notarzt kann schon mal 20 Minuten brauchen bis er Vorort ist. In der Zwischenzeit versucht der Notfallsanitäter sein Bestes“, so der Mann aus der Praxis. Doch was passiert dann? Eine Odyssee beginnt, bei der Frage wohin der Patient gebracht werden kann. Immer öfter melden sich Krankenhäuser vor Ort ab, weil sie aus Personalmangel keine Patienten mehr aufnehmen könnten. Wege bis zu 100 km, die dann mit dem Hubschrauber überwunden werden müssen, sind an der Tagesordnung. Wenn es hart auf hart kommt, kann so was schon mal ein Todesurteil sein, so die einhellige Meinung. Ralf Neiser ergänzte diesen Punkt mit der Feststellung, dass Heimleitung und Angehörige oftmals gar nicht mehr wüssten, wohin die erkrankten Bewohner gebracht worden seien! Und Bernhard Fürst erklärte, die Krankenhäuser unterstützten die Notärzte, aber es müsse auch klar sein, dass der Arzt nach seinem Notarztdienst am kommenden Tag für die Klinik ausfällt.

Gute Personalsituation bedeutet gute Versorgung

„Die Privatisierung des Krankenhaussektors war ein Fehler“, auch darin waren sich die Anwesenden einig. Die daraus resultierende „Rosinenpickerei“ sollte allen eine Lehre sein. Mittlerweile gebe es mehr private Kliniken als gemeinwohlorientierte Krankenhäuser in kommunaler Hand, berichtete Ronja Endres. „Kliniken müssen Geld verdienen. Lukrative Fallpauschalen haben dazu geführt, dass Auf-Kante-genäht wird. Eine marktwirtschaftlich aufgebaute Versorgungsdienstleistung bei der es um Leben und Tod geht, bedeutet Todesgefahr für den Patienten“, so die BayernSPD-Vorsitzende. Endres musste aber auch eingestehen, dass eine Krankenhausreform mindestens fünf Jahre Strukturwandel bedeutet. “Die Umwandlung der privaten Kliniken in öffentliche Trägerschaft von heute auf morgen ist unmöglich. Das käme einer Enteignung gleich, und diese Krankenhäuser abzulösen und selbst zu erhalten, ist nicht finanzierbar“, so Endres. Hier müsse man Schritt für Schritt vorgehen. Der Erste Schritt sei die Abschaffung der Fallpauschalen. Ziel der Krankenhausreform müsse es aber auch sein, so Endres, Arbeitsplätze vor Ort zu erhalten. Dass dies mit klugen Ideen funktioniere, zeigten Facharztzentren (FAZ) und Medizinische Versorgungszentren (MVZ) – „was bei Ärzten klappt, kann auch ein Weg für Pflegekräfte sein“.

Ronja Endres kritisierte den eingeschlagenen bayerischen Weg: „Die angedachte Pflegebörse spiele gute Regionen (Starnberg) gegen weniger attraktive Regionen (z.B. Niederbayern/Oberpfalz) gegeneinander aus. „Das ist der gleiche Unsinn, wie die Lehrerabwerbung aus anderen Bundesländern – und beides wird scheitern“, so die BayernSPD-Vorsitzende und verwies nur auf höhere Mieten und höhere Lebenshaltungskosten.

Hierin stimmten ihr die Pflegenden uneingeschränkt zu: Es klappe ja schon nicht regional, dass bei Standortschließungen sich die freiwerdenden Pflegekräfte auf andere Häuser verteilten. „Pflegkräfte sind standorttreu, sie sind regional verbunden“, so eine Zuhörerin. Und Carmen Utz ergänzte: „In diesen Fällen gehen Arbeitskräfte der Pflege verloren. Die Leute suchen sich bessere Jobs vor Ort“. Dies habe sich bereits bestätigt, als erste Pflegeheime und ambulante Dienste vor Ort schließen mussten. Es gab nur wenig freie Pflegekräfte, so dass die Häuser und Dienste vor Ort weiterhin keine Pflegebedürftige wegen Personalmangels mehr aufnehmen konnten.

Patienten bleiben unversorgt. Absagen führen zu Panik.

Ralf Neiser und Bernhard Fürst berichteten von endlosen unbefriedigenden Telefonaten auf beiden Seiten, wenn Krankenhauspatienten entlassen werden sollten und es keine Heimplätze gäbe, wo sie unterkommen könnten. Hinzu kommen immer höher steigende Kosten für die Eigenbeteiligung der Heimbewohner, so ein Betroffener. Für die SPD ist die einzige Lösung für steigende Kosten eine Vollkaskopflegeversicherung. Das bedeute zwar etwas höhere Beiträge für alle, am besten aber mit einer Bürgerversicherung in die dann auch alle einzahlen. Derzeit erarbeitet die SPD im Rahmen der Koalitionsvereinbarung ein Wahlmodell, in dem die Versicherten zwischen dem derzeitigen Angebot und einer Vollkaskopflegeversicherung wählen könnten. „Eigenverantwortung und vorausschauendes Handeln ist gefragt“, so Ronja Endres.

Keine Lösung des Pflegenotstands in Sicht

Viel wurde dann über den Pflegenotstand gesprochen. Die hoffnungsvoll eingeführte Generalisierung, die Vereinheitlichung der Pflegeausbildung, entpuppe sich als weiterer Fehler. Die Einarbeitungszeit der Absolventinnen und Absolventen der Pflegeschulen dauere viel zu lange und dazu fehle es an Kapazitäten. Das gleiche gelte für ausländische Fachkräfte (und Ärzte) - vor allem aus nicht EU-Länder. Große Sprachprobleme, unterschiedlicher Ausbildungsstand oder falsche Erwartungen akademisierter Pflegekräfte aus anderen Ländern sind nur einige genannte Knackpunkte. Auch hier müsse zusätzliches Personal abgestellt werden: Zur Kommunikation mit dem Patienten brauche es einheimisches Personal als Dolmetscher, die Betreuung der ausländischen Mitarbeiterinnen und die Vermittlung der deutschen Sprache – oder des bayerischen Dialekts - binde weitere dringend benötigte Kräfte, erzählten die Pflegenden aus der Praxis. Hier komme es auf ein ausgewogenes Verhältnis an und auch das einheimische Personal müsse auf die Integration der ausländischen Pflegekräfte vorbereitet werden. Erfolgversprechend zeigte sich die Initiative des Krankenhauses Mallersdorf mit dem Projekt „Wiedereinstieg in die Pflege“, wo Pflegekräfte selbst nach 20 Jahren erfolgreich wieder in den Tagesbetrieb integriert werden konnten. In Projekt, dass auch die Landesvorsitzende interessiert und so kündigte sie ihren Besuch im Krankenhaus Mallersdorf gleich mal an.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Die Pflegeschule in Mallersdorf, die ab Herbst 2023 wohl 30 Auszubildende aufnehmen kann, ist ein Hoffnungsschimmer, so Michael Meister. Am Standort Mallersdorf wurde über viele Jahrzehnte erfolgreich eine Krankenpflegeschule betrieben, die leider 2004 eingestellt wurde. „Eine kurzsichtige Entscheidung, denn die erfolgreiche Ausbildung hätte niemals aufgegeben werden dürfen“. Heute lägen, so Bernhard Fürst, bereits 24 Anfragen von Heimen um Ausbildungsplätze vor. Was fehlt, seien die Bewerber*innen.

Zum Abschluss meldeten sich noch zwei Zuhörer*innen, die ganz persönliche Probleme drückten. Was passiert mit mir, wenn ich mal alt werde? Wer wird mich pflegen? Kann ich mir ein Pflegheim überhaupt leisten? Geht mein Angespartes und mein Häuschen den Bach runter? - viele Fragen, die den Betroffenen durch den Kopf gehen. Wenn man sich rechtzeitig mit einer Pflegesituation auseinandersetzt, kann man Panik verhindern und in den meisten Fällen das Häuschen erhalten, so Michael Meister. Nur man muss Eigenverantwortung übernehmen und sich der Realität rechtzeitig stellen. „Diesen Gedanken stellt man sich leider erst, wenn man bereits selbst – oder ein naher Angehöriger - betroffen ist. Besser wäre es, bereits in jüngeren Jahren darüber nachzudenken“, so sein Appell.

Was wird aus mir, wenn ich mal alt werde?

Die Zukunft sieht aber wirklich nicht gut aus: Eine Welle von Pflegebedürftigen ohne familiären Hintergrund rolle auf uns zu, waren sich die Pflegefachleute einig. Wird heute doch der überwiegende Teil der Pflegebedürftigen durch Ehepartner oder Kinder zu Hause gepflegt. Die Politik unterstützt dies mit einem finanziellen Ausgleich wie beim Elterngeld bis zu drei Jahren. Doch in der Folge des steigenden Single-Daseins ist niemand mehr da, der die familiäre Pflege übernehmen könnte. Ronja Endres berichtete hierzu, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach es sich zum Ziel gesetzt habe, speziell für diese Fragen die nötige Grundlagenforschung zu betreiben um Lösungsansätze zu erarbeiten. Das gehe von alternativen neuen Wohnkonzepten bis hin zur viel belächelten Prävention.  „Länger gesünder leben“, so ein weiterer Lösungsansatz seitens der SPD.

 

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Ansaatanleitung Bienenweide

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 Ruth Müller, MdL.