SPD im DIALOG mit Nasser Ahmed

Veröffentlicht am 01.12.2023 in Allgemein

Stehen für den “Sehnsuchtsort Deutschland“: Referent Nasser Ahmed (3.v.li.), die SPD-Ortsvorsitzenden Barbara Kasberger (Mitte) und Maximilian Fuß (3.v.re.), die SPD -Stadträte Josef Eisenhut (li.) und Ludwig Kerscher (re.), die Beisitzer Brigitte (2.v.li.) und Franz Bayer (4.v.li.) sowie Hadish Tesfay (2.v.re.) als Vertreter der eritreischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Geiselhöring

 

„Die Welt ist nicht einfach schwarz und weiß“

Generalsekretär der BayernSPD bei „SPD im DIALOG“ - “Sehnsuchtsort Deutschland“ hat nichts mit Bürgergeld zu tun

Mit der letzten „SPD im DIALOG“-Veranstaltung dieses Jahres am vergangenen Mittwoch in der Taverne Korfu griff die Geiselhöringer SPD ein heißes Eisen auf: Die Migrationsdebatte. Mit dem Nürnberger Nasser Ahmed, u.a. stellvertretender Generalsekretär der BayernSPD, konnte ein eloquenter und überzeugender Gesprächspartner gefunden werden, der den “Sehnsuchtsort Deutschland“ in die Debatte einbrachte. „So habe ich das noch nie gesehen“, fand nicht nur Ortsvorsitzende Barbara Kasberger.
 

Nasser Ahmed erzählte anfangs, dass sein Vater mit 14 Jahren 1964 allein aus Eritrea geflüchtet war, um dem drohenden Militärdienst im Bürgerkriegsland zu entgehen. Zu Fuß schlug er sich zuerst alleine, dann in einer Gruppe nach Ägypten durch. Hier konnte er eine einfache Ausbildung machen und träumte vom „Sehnsuchtsort Deutschland“. Über Italien kam er dann nach Europa, wo er vier Angebote als Gastarbeiter aus Deutschland bekam – Deutschland warb auch damals gezielt Arbeitskräfte an. Er entschied sich für Nürnberg und siedelte sich dort an. Der Vater gab an seinen Sohn, der Ende der 1980er geboren wurde, weiter, dass der „Sehnsuchtsort Deutschland“ für ihn ein sicheres Leben bedeutete. Der soziale Wohnungsbau ermöglichte es ihm, eine bezahlbare Wohnung zu finden und die Gewerkschaft IG-Metall erkämpfte auch für ihn eine gerechte Entlohnung. Hier konnte er auch als Hilfsarbeiter genug verdienen, um gut zu leben und eine Familie zu gründen. Zwar sei der Abstand von ARM zu REICH auch in Deutschland gegeben, aber in keinem Vergleich zu anderen Ländern, wie etwa seiner Heimat Eritrea. „Alles, was Deutschland zu seinem Sehnsuchtsort gemacht hat, wurde erkämpft von der SPD. Es ist das sozialdemokratische Aufstiegsversprechen, von dem ich auch selbst profitiert habe“, erklärte Nasser Ahmed.

“Sehnsuchtsort Deutschland“ und das sozialdemokratische Aufstiegsversprechen

Für Nasser Ahmed bedeutete der “Sehnsuchtsort Deutschland“, dass er die Chance hatte, eine kostenlose öffentliche Schule besuchen zu können und dass er eine faire Chance hatte. Und diese hat er genutzt: Er studierte als erstes Familienmitglied mit einem Stipendium der Friedrich-Ebert-Stiftung und machte seinen Doktor. Heute ist er verheiratet, arbeitet in einem bekannten Unternehmen und will nun der „Gesellschaft – und der SPD - etwas zurückgeben“. Sein Engagement als Nürnberger Stadtrat und nun als stellvertretender Generalsekretär der Bayern SPD rühren auch daher.

„Ich bin's leid, dass die Lebensleistung von Millionen Migrantinnen und Migranten andauernd von Rechten und Rechtsextremen durch den Dreck gezogen wird. Deutschland hat kein Problem mit Migration. Deutschland hätte ein Problem ohne Migration. Millionen Migranten ziehen tagtäglich mit harter Arbeit den Karren. Auf dem Bau, in den Altenheimen, in der Gastronomie. Die Allermeisten halten sich natürlich an Recht und Gesetz“, griff Ahmed die aktuelle Migrationsdebatte auf. Rechtsextreme und Rechte hätten es geschafft, dass ganz Deutschland eine Schein-Debatte führt. Angeblich über Abschiebungen und Abschaffung des Asylrechts.

Probleme mit Migration ja, aber Probleme ohne Migration viel größer

Der BayernSPD-Generalsekretär bekräftigte, dass die Bundesregierung genau auf dem richtigen Weg sei, Einwanderung besser zu regulieren. Legale Arbeitsmigration, Chancen-Aufenthaltsrecht, schnellere Verfahren – eben den „Spurwechsel“. „Aber man muss festhalten: um derlei Details geht es längst nicht mehr! Es geht hier um rechtsextreme Propaganda, Framing und Hetze“. Dahinter stecke, so Ahmed, dass es den Rechtsextremen nicht um ein paar Tausend abgelehnte ausreisepflichtige Asylbewerber ohne Schutzstatus gehe, wenn man genau hinhöre. Seit Jahrzehnten nutzten Konservative und Rechtsextreme nämlich Migranten als Sündenböcke. In Zeiten großer Unsicherheit hätten sie eine einfache Antwort auf komplexe Probleme. „Die Leute haben gerade viele Sorgen. Die Antwort der Rechten auf alles: Ausländer raus. Inflation, Energiekrise, Kriege und Klimakrise würden sich dann in Luft auflösen. Das ist deren einfache Botschaft“, kritisierte Ahmed die aktuelle Debatte.

Migration = Rente, Sozialstaat, Wohlstand

Mit dieser Rhetorik verprelle Deutschland seine Migranten und die gebrauchten zusätzlichen 400.000 Arbeitskräfte pro Jahr, die die Wirtschaft sich wünsche. Aktuell kämen lediglich 200.000 Flüchtlinge an – dazu kamen etwa 1 Million Ukrainische Kriegsflüchtlinge, vor allem Alleinerziehende Frauen mit Kindern, denen man aber auch uneingeschränkte Solidarität schulde. „Ich frage mich: wer soll in Zukunft die Pflege übernehmen? Wer soll die Straßen und die Windräder bauen? Wer soll in Zukunft im Dienstleistungsbereich arbeiten? Migration bedeutet Rente, Sozialstaat, Wohlstand“, erklärte Nasser Ahmed. Und weiter: „Die Welt ist nicht einfach schwarz und weiß“. Die SPD dürfe sich den „Spurwechsel“ nicht von Union und FW kaputtreden lassen. Ginge es nach der Union wären die Flüchtlinge auf Jahre zum Nichtstun verdammt. „Egal wo man herkommt, alle haben ein Recht auf Teilhabe. Dazu gehören die Sprache, Rechte und Pflichten und vor allem Arbeit – du wer arbeitet und schafft soll zumindest den Mindestlohn bekommen. Mit 40 Stunden Arbeit muss es sich gut leben lassen“, forderte Nasser Ahmed.

Deutschland schafft sich nicht ab –Deutschland erfindet sich neu

Statt der aktuellen Fakedebatte wären doch die richtigen Fragen zu klären: Wie regeln wir die Einwanderung besser? Wie stärken wir überforderte Kommunen? Wie bauen wir die notwendigen Wohnungen? Wie integrieren wir ab dem ersten Tag? „Die lauten Schreier von Rechts haben auf diese Fragen aber keine Antworten. Sieht man ja auch beispielsweise an der Staatsregierung. Die hetzt schön mit. Seit Jahren lässt der Freistaat die Kommunen hängen. Seit Jahren baut er die versprochenen Sozialwohnungen nicht“, hält der SPD Generalsekretär dagegen. Noch immer fehle ein modernes Einwanderungsrecht in den Arbeitsmarkt, in dem legale Migrationswege aufgezeigt werden. „Das ist wirtschaftlicher Wahnsinn. Und den hat die Union zu verantworten“. Für Nasser Ahmed sind die wahren Problem-Flüchtlinge, die Steuer-Flüchtlinge, die nichts zum Solidarsystem beitrugen und Menschen, die durch hohe Mieten und prekäre Arbeitsverhältnisse andere ausbeuten. Sein Appell: „Statt nach unten zu treten, müssen wir endlich solidarisch nach oben schauen und über Multimillionäre reden, die immer mehr Geld scheffeln - aber kaum Steuern zahlen wollen. Das ist das Geld, das überall fehlt“.

Wir brauchen eine neue Aufstiegserzählung

Abschließend warf auch einen Blick auf die vergangenen Landtagswahlen. „Die Menschen haben mehr Angst als Hoffnung, und aus dieser Angst heraus haben 70% der Wählerinnen und Wähler Mitte/Rechts gewählt“.  Angst sei das Lebenselixier der Konservativen und vor allem der Rechten, so Ahmed weiter. Und die gefühlte Angst vor gesellschaftlichem Abstieg sei im Wahlkampf wieder einmal mit der Migrationsdebatte überlagert und geschürt worden. „Da das Lebenselixier der SPD die Hoffnung ist, brauchen wir eine neue Aufstiegserzählung. Aufstieg durch Bildung ist noch immer der Schlüssel dazu“ – wie es für ihn persönlich als Sohn eines einfachen Arbeiters und Flüchtling war, erklärte Nasser Ahmed mit Überzeugung. Die SPD müsse, gerade in Niederbayern, gerade jetzt Verantwortung übernehmen und wieder viel mehr als Kümmerer- und Mitmachpartei wahrgenommen werden: „Wir als SPD sollten alle Menschen ansprechen, die morgens aufstehen und hart arbeiten gehen. Deren Abstieg müssen wir vermeiden. Sie stärken. Und deren Treten nach unten beenden. Und sie ermutigen, solidarisch nach oben zu schauen, um gemeinsam einzufordern, was ihnen zusteht“.

Geiselhöring wäre bereit, wieder eine überschaubare Gruppe an Flüchtlingen aufzunehmen

In der anschließenden Diskussionsrunde, wurden viele Vergleiche zu den in Geiselhöring betreuten und integrierten Flüchtlingen gezogen. Ob es die Fluchtgeschichten waren oder die flächendeckenden Sprachkurse, die es heute so nicht mehr gibt. Fazit war, dass es wichtig sei, Menschen in Not aufzunehmen, zu fördern und zu fordern. Ein „NoGo“ für die Anwesenden war es, geflüchtete Menschen an der Grenze zurückschicken oder sie im Mittelmeer sterben zu lassen. Es kam auch Verständnis auf, für überlastete Kommunen und ausgebrannte Helferkreise – doch hier wurde deutlich Kritik daran geübt, dass die dezentrale Verteilung zu Gunsten großer Lager aufgegeben wurde. Diese großen Einheiten machten natürlich große Probleme. Geiselhöring, so die einhellige Meinung, wäre bereit, wieder eine überschaubare Gruppe an Flüchtlingen aufzunehmen und zu integrieren.

 

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Ansaatanleitung Bienenweide

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 Ruth Müller, MdL.